top of page

Die langen Kerls


1713 – 1740


Der kleine und sonst so knauserige König Friedrich Wilhelm I. – der Soldatenkönig von Preußen – hatte eine Art militärische Sammelleidenschaft, bei der er die ihm eigene geizige Ader vergaß und horrende Summen ausgab: Für seine Leibgarde – das Altpreußische Infanterieregiment No. 6 – ließ er Militärwerber ganz Europa nach Männern durchforsten, die eine Mindestkörpergröße von 1,88 Meter (sechs preußische Fuß) maßen. Diese wurden dann entweder freiwillig oder mit List und Tricks an den Hof des Königs gebracht. Dort elegant rot und blau uniformiert, mit einem halb Meter hohen Helm bestückt und in Abhängigkeit ihrer Größe besoldet. Ein langer Kerl bezog ein höheres Gehalt, als ein nicht ganz so langer.

Wie weit die Leidenschaft des Königs in diesen Belangen ging, lässt sich an folgenden Beispielen ungefähr erahnen:

  • Bei einem bayrischen Tischler ließ der König eine Kiste bestellen, von 1,90 Metern Länge. Bei der Abholung bezweifelten die Männer des Königs allerdings die Korrektheit der Ausmaße der gefertigten Truhe. Bei seiner Berufsehre gepackt, legte sich der Tischler hinein, um damit den Beweis anzutreten, seine Arbeit genau richtig gemacht zu haben. Auf diesen Fehler allerdings hatten die Männer Friedrich Wilhelms nur gewartet: Sie nagelten das hölzerne Paket zu und sandten es per Express nach Preußen.

  • Im Jahr 1716 ließ der König das gesamte legendäre Bernsteinzimmer aus seinem Berliner Schloss aus- und in den Katharinenpalast Palast des Zaren Peter I. einbauen. Als Gegengeschenk dafür erhielt er 55 riesige russische Kraftpakete.

  • Vier Jahre später – im Jahre 1720 – trat er den Holländern Kolonien in Guinea ab, nur um seine Garde um 12 afrikanische Kerls aufstocken zu können. Dieser Überseebesitz an der Westküste Afrikas indessen war erst rund 40 Jahre zuvor unter enormem Kostenaufwand annektiert worden.

Den ersten und zugleich letzten Einsatz hatte das ca. 3000 Mann starke Hünen-Regiment übrigens bei den Begräbnisfeierlichkeiten von Friedrich Wilhelm I. im Jahr 1740, denn dieser zog während seiner 27-jährigen Regentschaft nur äußerst ungern in den Krieg. Verständlich, war sein Beiname schließlich auch Soldatenkönig und nicht etwa Kriegerkönig. Am Ende wäre ja noch einer seiner kostbaren Riesen dabei umgekommen. Nicht auszudenken.

bottom of page